Beweggründe

Bis zu meinem 26. Lebensjahr war ich als Mechaniker und Produktentwickler für die Industrie tätig. Stets arbeitete ich in Entwicklungs- und Prototypenabteilungen. Ich durfte allerlei Produkte entwickeln, testen, verbessern und zur Serienreife bringen. Vom wasserlosen Pissoir und Rakententeilen bis zum kleinsten Feuchtigkeitssensor der Welt durfte ich extrem spannende Arbeiten vollbringen. Kreativität und hinterfragen von bestehenden Lösungen gehörte zu meinem Alltag und beschäftigte mich oft auch noch nach Feierabend.

Geistig gefordert aber körperlich am Ende zog ich nach 10 Jahren die Notbremse. 8 Stunden CAD pro Tag, Kunstlicht, Bürostuhl und Kantinenfrass machten mich fast zum Bürokrüppel. Hals über Kopf stürzte ich mich in die Landwirtschaft. Die Vorstellung vom Arbeiten mit dem ganzen Körper und dabei gesunde Lebensmittel, selbst anzubauen lockten mich an die frische Luft. Inspiriert von Mischkulturen, essbaren Landschaften und diversen Büchern zum Thema Pflanzen und Boden, begab ich mich auf die Suche nach wahrhaftiger Bodenfruchtbarkeit. Die bio-dynamische Ausbildung bot dazu den passenden Rahmen. 

 

Damals habe ich schon gehört: „Gesunder Boden, gesunde Pflanzen gibt gesunde Tiere und zuletzt gesunde Menschen“ 


Als ich im September 2012 auf meinem Lehrbetrieb Brachland in Bubikon begonnen habe, störte mich schon von Beginn an, dass überall Plastik zur Bodenbedeckung benutzt wurde. Geschätzte zwei Minuten konnte ich mich als Neuling zurückhalten, bis ich Jürg, mein Lehrmeister, fragte wieso hier überall Plastik den Boden bedecke. Er antwortete, das sei Standard und so empfohlen worden. Irgendwie hatte ich mir das mit der schönen Landwirtschaft und dem fruchtbaren Boden anders vorgestellt. Hier wird halt eben „produziert“ dachte ich mir und da muss halt alles „steril“ sein. 

 

In den Schulblöcken der Ausbildung hatten wir natürlich Bodenkunde und lernten Friedrich Wenz kennen, der uns von Mulch, Mischkultur, Gründüngungen und Flächenkompostierungen erzählte. Themen, die ich schon von Permakulturisten gehört habe. Friedrich produziert aber so auf dem Acker, das hat mich sehr beeindruckt. Es gibt sie also doch, diese Kombination von Produktion und schöner fruchtbarer Landwirtschaft. 

 

Von da an interessierte ich mich vor allem für Mischkultur, Flächenkompostierung und Bodenbelebung. Überall wo ich mich in der Landwirtschaft auf den Boden achtete, sah ich aber hauptsächlich folgendes: Verdichtungen, Verschlämmungen, Verunkrautungen, totgespritztes und natürlich Plastik! 


Erdbeeren unter Bändchengewebe
Erdbeeren unter Bändchengewebe
Verschlämmter Boden im Gemüsefeld.
Verschlämmter Boden im Gemüsefeld.
Schweizer Bio Peperoni für den Grossverteiler. Ganz nach dem Motto "Der Boden ist ein Haltesystem für Wurzeln"
Schweizer Bio Peperoni für den Grossverteiler. Ganz nach dem Motto "Der Boden ist ein Haltesystem für Wurzeln"

Zurück zu den Beeren auf dem Brachland: Unsere Brombeeren waren nicht besonders gesund. Für uns war klar, dass es einen Zusammenhang zwischen Pflanzenkrankheiten und der Bodenbeschaffenheit geben muss.

Seit die Beeren gepflanzt wurden, vor 6 Jahren, konnte sich keine intakte Bodenstruktur erhalten, trotz regelmässigen Mist- und Kompostgaben.

 

Der Boden unter dem Bändchengewebe erwärmt sich bei Sonnenschein sehr stark. So stark, dass sich das Bodenleben zurückziehen musste und die Wurzeln vertrockneten.

 

Ameisen verteilten den Kompost in der Umgebung und häuften dafür Lehm und Sand auf. Hitze, Nässe und Trockenheit erzeugten einen erstickten klumpigen Boden, da wo eigentlich Waldpflanzen gedeihen sollten   

Rutenkrankheit bei den Brombeeren.
Rutenkrankheit bei den Brombeeren.

Herbst 2012. Die Brombeeren können in diesem "pappigen" Boden keine Feinwurzeln mehr bilden. Sie ersticken quasi im geschädigten Boden unter dem Bändchengewebe.
Herbst 2012. Die Brombeeren können in diesem "pappigen" Boden keine Feinwurzeln mehr bilden. Sie ersticken quasi im geschädigten Boden unter dem Bändchengewebe.
Herbst 2012. Strukturverlust der Erde unter dem Bändchengewebe bei den Brombeeren auf dem Brachland.
Herbst 2012. Strukturverlust der Erde unter dem Bändchengewebe bei den Brombeeren auf dem Brachland.

Wo ist also die Bodenfruchtbarkeit geblieben? Alles schien leblos und krank. „Nur Leben erzeugt Leben“ und „Düngen heisst den Boden beleben“, aber wie? Unsere Landwirtschaft hat sich in einem Zustand festgefahren, wo das Wohl vom Bodenleben im wahrsten Sinne mit „Füssen getreten wird“. 

 

Selbst die Wiese, die „Mutter der Ackers“, ist in den meisten Fällen nicht sehr lebensaufbauend. „scharfe Gülle“ tötet die Regenwürmer, schwere Landmaschinen verdichten jeden Quadratmeter. Es ist fast nicht zu verhindern mit der „gut bäuerlichen Praxis“ fruchtbaren Boden zu erhalten, geschweige den aufzubauen. Bei geschätzten 30 Überfahrten auf normalen Futterwiesen ist der Boden garantiert einmal zu nass und ein grosser Teil an Regenwürmer und der restlichen Bodenlebewesen als Kollateralschaden vernichtet worden.

 

Die überlebenden Individuen müssen sich dann gegen bodenabbauende Prozesse durchsetzen. Die bodenaufbauenden Organismen, finden in den schlimmsten Fällen nicht einmal Nahrung und Habitate um sich zu regenerieren. 


Es gäbe noch unzählige Beispiele, was alles schief läuft in der Behandlung unserer Böden. Viele davon wesentlich dramatischer, als das was ich bis jetzt aufgezeigt habe. Doch möchte ich nicht weiter Negativschlagzeilen schreiben. Sondern hoffnungsvolle Wege vorstellen, mit denen wir lebensfreundliche Produktionsmethoden entwickeln sollten. Dazu gehören nicht nur die Bauern!

 

Gesunde Produktionslebensräume soll der Anspruch von uns allen sein! Weder uferlose Ökologisierung noch endlose Intensivierung der Landwirtschaft bringt alle an denselben Tisch um Lösungen zu finden.

 

Es sind auch nicht die Trends und Hypes, wie zum Beispiel Permakultur in der Schweiz praktiziert wird oder allerlei Urban Gardening Projekte, die uns in Zukunft mit guter Nahrung versorgen werden. 

 

In der Landschaft, in intakten Lebensräumen, die ästhetisch und produktiv zugleich sein können, liegt noch ein riesiges Potenzial begraben. Das Wissen um solche Visionen zu verwirklichen ist grösstenteils vorhanden. Es fehlt meines Erachtens vor allem an Menschen, die ein Gespür für natürliche zusammenhänge haben. Es fehlt am wahrhaftigen Willen vom Bauerntum, Wissenschaft, Politik und jedem Konsumenten uns ein Paradies auf Erden zu erschaffen.    

Tote Regenwürmer nach dem Gülle führen. Diese Erscheinung ist fast allen Bauern bekannt.
Tote Regenwürmer nach dem Gülle führen. Diese Erscheinung ist fast allen Bauern bekannt.

Frühling 2013. Rietstroh-Silage unter den Brombeeren. Der erste Versuch mit Mulch in der Beerenanlage auf dem Brachland.
Frühling 2013. Rietstroh-Silage unter den Brombeeren. Der erste Versuch mit Mulch in der Beerenanlage auf dem Brachland.

Dass ein so enormes Wissen zu alternativen Anbaumethoden existiert, wussten Jürg und ich noch nicht, als wir begonnen haben den Boden wieder zu füttern. Das Gewicht aller im Boden lebenden Organismen (Edaphon genannt) entspricht pro Hektar dem mehrerer Kühen. Diese "Kühe" im Boden müssen genau wie die Kühe im Stall auch mit frischer organischer Substanz gefüttert werden. Reifer Kompost füttert dabei keinen einzigen Regenwurm, da schon alles „verdaut wurde“! Kompost dient vor allem der Düngung und impft den Boden mit positiv wirkenden Bakterien, Pilzen und vielen weiteren Organismen.

 

Eine vielseitige Artengemeinschaft im und über dem Boden schafft Habitate. Symbiotische Beziehungen sind dabei die Grundlage für stabile, produktive Anbausysteme. Bei Beeren möchten wir besonders von Mykorrhizzasymbiosen profitieren, also müssen wir im Anbausystem auch Lebensräume für die Pilze schaffen. Wir versuchten also Wald ähnliche Bedingungen zu schaffen um unsere Beerenanlage vitaler zu machen. Seit wir damit begonnen haben, vor 3 Jahren, können wir mit Sicherheit sagen, dass sich die Gesundheit der Pflanzen nicht verschlechtert hat. Die Bodenstruktur ist teilweise "Atemberaubend gut" , das Potenzial ist aber noch lange nicht ausgeschöpft.


Jostabeeren mit Bärlauch. Seit 2013 eine erfolgreiche Anbaumethode mit offensichtlichem Mehrfachnutzen.
Jostabeeren mit Bärlauch. Seit 2013 eine erfolgreiche Anbaumethode mit offensichtlichem Mehrfachnutzen.
Bodenbelebung mit Gründüngung da wo die Himbeeren wegen Wurzelkrankheiten abgestorben sind. Hafer, Gerste, Wicken, Kapuzinerkressen...
Bodenbelebung mit Gründüngung da wo die Himbeeren wegen Wurzelkrankheiten abgestorben sind. Hafer, Gerste, Wicken, Kapuzinerkressen...
Mischfrucht-Ernte auf dem Brachland 2015. Brombeeren mit Knoblauch und Kräuter
Mischfrucht-Ernte auf dem Brachland 2015. Brombeeren mit Knoblauch und Kräuter